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Standards für Barrierefreiheit

Warum machen wir es?

Weil wir:

  • verpflichtende gesetzliche Vorgaben erfüllen, die im Einklang mit ethischen Standards sind,
  • die Reichweite und die Zielgruppe maximieren, Mehrwert schaffen und Einsparungen generieren,
  • neue Möglichkeiten durch Zukunftssicherung der digitalen Angebote schaffen,
  • rechtliche Probleme und negative Wahrnehmung in der Öffentlichkeit vermeiden.

Was machen wir?

Wir gestalten den Prozess der Barrierefreiheit in allen digitalen Endnutzer-Kanälen so einfach und transparent wie möglich, ohne wesentliche Änderungen am Projektplan durchführen zu müssen.

  • Bereitstellung von Schulungen, damit Teams die umzusetzenden Anforderungen verstehen.
  • Erstellung von sinnvoll umsetzbaren Richtlinien, um den Prozess von barrierefreiem Design und Entwicklung zu vereinfachen.
  • Aufstellung wer wie was und wann anwenden soll, Festlegung der Zuständigkeiten (Konzept, Redaktion, Design, Technik).
  • Integration mit Richtlinien und Dokumentationen anhand konkreter Umsetzungsbeispiele, die auf bestimmte Zielgruppen und Aktivitäten ausgerichtet sind.
  • Durchführung der Barrierefreiheitstests nach BITV, integrierte Test- und Korrekturansätze und Zurückspielen der Erkenntnisse in die beteiligten Gewerke, deren Artefakte und Prozesse.

Wie schaffen wir es?

Die erforderliche Konformität zu BITV in der jeweils gültigen Fassung besteht aus Anforderungen, die sich aus den internationalen Richtlinien WCAG 2.2 sowie Ergänzungen in der EN 301 549 ergeben. Die Erfolgskriterien der WCAG sind testbare Aussagen, gegen die wir konzipieren, gestalten, entwickeln und testen.

Wir verwenden diese Kriterien als nicht-funktionale Anforderungen (NFA). Jede NFA enthält Links zu hinreichenden und optionalen Techniken zur Erfüllung dieser NFA sowie eine Beschreibung der Absicht einer Anforderung mit Nutzen und praktischen Beispielen. NFA enthalten Prüfschritte und Testszenarien und, sofern vorhanden, Links zu Testwerkzeugen.

Die anwendbaren Kriterien werden im Anforderungsmanagement hinzugefügt und ermöglichen:

  • die Rückverfolgbarkeit und Klarheit bei Zuständigkeiten,
  • schätzbare und messbare Aufwände,
  • die Aufklärung über Barrierefreiheit genau dort anzubieten, wo und wann es notwendig ist,
  • die Verbindung zu allen relevanten User Stories herzustellen, die eine barrierefreie Umsetzung benötigen,
  • die Beschreibung der Testschritte und -Tools und der erwarteten Ergebnisse und Abnahmekriterien.

Kaum eine User Story benötigt sämtliche Anforderungen und viele sind auch nicht zwingend immer auf alle Inhalte anwendbar. Der gestaffelte Ansatz stellt sicher, dass nur diejenigen Anforderungen berücksichtigt werden, die für einen bestimmte Komponente relevant sind, während irrelevanten NFA nicht zum Arbeitspaket hinzugefügt werden.
Fehler, die während der Tests gefunden werden, werden mit den vorgeschlagenen Lösungen (z. B. WCAG-Techniken) verknüpft.

Was zu tun ist

Für alle Anforderungen werden Techniken zur Verfügung gestellt, wie man sie erfüllen kann, sowie Design- und Codebeispiele, die direkt aus den NFA heraus erreichbar sind, mit dem Ziel die Integration in alle Design- und Codeartefakte zu vereinfachen.

  • Befolge die Design-Vorgaben
    Circa ein Viertel der Anforderungen sind bereits durch die Regelwerke abgedeckt, z. B. Farbschemata, Typografie, Layout, aber auch Verhalten von Elementen – wenn hier die Regeln befolgt werden, dann sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
  • Keine Aktion erforderlich, da nicht anwendbar
    In keinem Projekt sind immer alle Richtlinien anwendbar, da sie Inhalte abdecken, die unter Umständen nicht Teil des Angebotes sind, wie z. B. Live-Video und -Audio.
  • Automatisierung
    Viele der rein technischen Anforderungen an die Barrierefreiheit, insbesondere im Bereich des semantischen HTML, können sowohl bei der Entwicklung als auch beim Testen automatisiert werden.
  • Mache keine schlechten Dinge
    Eine Reihe Anforderungen werden automatisch erfüllt, indem bestimmte negative Dinge schlichtweg nicht gemacht werden (z. B. kein blinkender Text).
  • Mache die richtigen Dinge
    Eine Vielzahl von Anforderungen kann durch eine Mischung aus manuellem Aufwand und automatisierten Prozessen entwickelt und getestet werden.
  • Gehe die Extrameile
    Für die verbleibenden Anforderungen sind Ergänzungen in Konzeption, Design & Code und in manuellen Tests erforderlich.

Herausforderungen

Zur Erfüllung der Barrierefreiheits- und Ergonomie-Richtlinien müssen diese Themen in den Gesamtprozess integriert werden. Im Laufe von Entwicklungsprozessen steht man oftmals vor komplexen Herausforderungen, denen mit verschiedenen Lösungsansätzen begegnet werden muss:

  • Keine zentralen Vorgaben zu Lösungen auf Basis von BITV und WCAG im konkreten Anwendungsfall und kein übergreifendes Verständnis von Barrierefreiheit in beteiligten Teams.
  • Keine übergreifenden Rollen mit Verantwortung für die Belange der Software-Ergonomie und Barrierefreiheit.
  • Etablierung der Usability in allen Phasen der Umsetzung, von Konzeption bis Test.
  • Unterschiedlichste Nutzergruppen mit verschiedensten, teils unbekannten Bedürfnissen.
  • Unterschiedliche Oberflächen-Technologien und Integration in ungeeignete Frameworks.
  • Anforderungen aus der EN-Norm, für die keine klaren Lösungen dokumentiert sind, die der aus den WCAG gewohnten Qualität und Detailtiefe entsprechen.

Wie begegnen wir den Herausforderungen?

  • Einbindung der Anforderungen auf Basis der BITV bzw. WCAG, um den Prozess zum Erstellen barrierefreier Oberflächen zu verkürzen.
  • Integration der Richtlinien in das Design System als zentrale Instanz für Vorgaben. Diese sind auf die Mitarbeitenden und ihre Aktivitäten ausgerichtet, sowie auf die Integration in die Disziplinen Konzept, Architektur, Design, Entwicklung und Test.
  • Unterstützung durch Barrierefreiheits- und Ergonomie-Experten als übergreifende Querschnitts-Rollen, sowie Test-Spezialisten für die Barrierefreiheits- und Ergonomie-Anforderungen.
  • Durchführung von Tests mit echten Nutzenden und das Zurückspiegeln der Erkenntnisse in die jeweiligen Prozesse.
  • Personas enthalten auch bestimmte Behinderungsformen und ihre spezifischen Anforderungen wie z. B. farbfehlsichtige oder motorisch behinderte Nutzende.

Die praktische Umsetzung der Anforderungen

Die Qualität eines Web-Angebots wird gegen definierte Anforderungen gemessen. Neben den klassischen Kriterien wie Funktionalität, Stabilität, Effizienz, Portabilität und Änderbarkeit liegt besonderes Augenmerk auf der Gebrauchstauglichkeit und Ergonomie (“Usability“). Diesem Oberbegriff ist das Thema Barrierefreiheit direkt zugeordnet. Dieses definiert sich als „die Nutzbarkeit von interaktiven Systemen oder Software für alle Menschen, unabhängig von körperlichen Fähigkeiten oder technischen Bedingungen ohne fremde Hilfe.“

Für die Umsetzung und Prüfung von Barrierefreiheit und Ergonomie im Prozess der Software-Entwicklung bedeutet dies, Barrieren bei der Nutzung von Oberflächen zu minimieren, um damit maximale Akzeptanz, Effizienz, Nutzbarkeit und Zufriedenheit zu erzielen.

Diesem Ziel arbeiten wir mit dem hier beschriebenen Design System entgegen, in dem wir Barrierefreiheit und Software-Ergonomie, unter Berücksichtigung der genutzten assistiven Werkzeuge, als nicht-funktionale Anforderungen in den Konzept-, Design- und Entwicklungs-Prozessen integrieren. Wir beschreiben und bewerten die Barrierefreiheits- und Ergonomie-Anforderungen an Oberflächen, um eine Konformität auf Basis der vorgegeben Anforderungen der BITV 2 zu erzielen.

Im Kontext der Usability und Barrierefreiheit gibt es eine Vielzahl von Richtlinien, Normen und Verordnungen an die Barrierefreiheit und Software-Ergonomie, die von Gesetzgebern und internationalen Gremien verabschiedet wurden (u.a. BITV 2, WCAG 2 und DIN EN-Reihen). Diese sind zentrale Bestandteile für die nachhaltige Umsetzung von Barrierefreiheit und Ergonomie in modernen Web-Anwendungen und im Rahmen der Anforderungserhebung konkret analysiert und müssen für die Umsetzung priorisiert, ausgelegt und interpretiert werden.

Abbildung der Vorgaben im Design System

Das Design System als zentrales Regelwerk steht im weiteren Verlauf allen am Prozess Beteiligten als konkrete Arbeitsunterlage zur Verfügung. Änderungen von Normen und Richtlinien fließen zeitnah in das Design System ein. Somit sind diese Änderungen immer transparent, schätzbar, plan- und durchführbar.

Zu beachten ist, dass die BITV selbst keine operationalisierbaren Anforderungen enthält, sondern nur auf internationale Normen und Standards verweist, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

Web Content Accessibility Guidelines 2.2

Die Web Content Accessibility Guidelines Version 2.2 (WCAG 2.2) wurden vom W3C, dem führenden Standardisierungsgremium im Web, veröffentlicht und sind der weltweit anerkannte Standard für Barrierefreiheit in allen digitalen Medien. Die Anwendung dieser Richtlinien ist in der EU und den Mitgliedstaaten vorgeschrieben.

Die WCAG sind ursprünglich für Konzepter, Designer, Entwickler, Redakteure von Webinhalten etc. gedacht, aber alle der Prinzipien und Richtlinien sind auf alle Arten von digitalen Inhalten anwendbar, einschließlich mobiler Anwendungen.

EN 301 549

Die zuvor genannten WCAG sind Bestandteil der Norm zur Barrierefreiheit, werden dort aber um 32 weitere Kriterien ergänzt. Diese sind in ihrer Mehrzahl zunächst nicht zu berücksichtigen, da sie viele nicht-anwendbare Anforderungen enthalten (z. B. Hardware). Die vorherige Norm ISO/IEC 40500 (2012) ist identisch mit den WCAG 2.0 und somit obsolet.

Abgrenzung und Anwendbarkeit der Normen

Für den Umsetzungsprozess sind die folgenden Vorgaben zur Ergonomie und Barrierefreiheit relevant:

  • Die Oberflächen unterliegen den Konformitäts-Anforderungen, die in der Verordnung zur Barrierefreiheit des Bundes BITV in der jeweils gültigen Fassung festgeschrieben sind.
  • Die BITV referenziert direkt auf die Norm EN 301 549 in der jeweils aktuell gültigen Fassung (aktuell: Version 3.2.1 aus dem Jahr 2021).
  • Die Norm referenziert wiederum in weiten Teilen auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 des W3C in allen Konformitätsstufen.
  • Die Veröffentlichung der WCAG 2.2 mit 9 weiteren Erfolgskriterien fand im September 2023 statt, diese werden also im Design System bereits berücksichtigt.
  • Für weitere Usability-Kriterien wird die DIN 9241-Serie berücksichtigt, insbesondere der Teil -171 zur Zugänglichkeit von Software.

Die BITV legt die Standards der barrierefreien Gestaltung von Websites, mobilen Anwendungen und anderen digitalen Inhalten fest. Der in der Praxis anzuwendende Standard wird nur indirekt genannt, die BITV verweist lediglich auf die jeweils im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachte harmonisierte Norm EN 301 549.

Diese basiert in weiten Teilen auf den WCAG 2 Level A und AA, unterscheidet aber in den Inhalten, die über diese hinausgehen nicht zwischen den verschiedenen Konformitätsstufen (A, AA, AAA = Muss, Soll, Kann gemäß RFC2119). Damit gelten sämtliche ergänzten Kriterien prinzipiell für alle Inhaltsformen. Die Anwendbar- und Umsetzbarkeit muss also einzeln bewertet und ggf. in die Anforderungen aufgenommen oder als nicht anwendbar deklariert werden.

Konformitätsstufen und Prioritäten

Die BITV priorisiert die Anforderungen nicht nach den Konformitätsstufen der WCAG, sondern fasst die Stufen A & AA zur Priorität 1 zusammen, die für ein gesamtes Webangebot gelten. Die Anforderungen der WCAG-Konformitätsstufe AAA gelten hingegen nur für ausgewählte Seiten, wie z. B. zentrale Einstiegs- und Navigationsseiten. Die Norm wiederum zitiert die WCAG wie folgt:

„Es wird nicht empfohlen, Konformität auf Stufe AAA als allgemeine Richtlinie für komplette Websites zu fordern, da es bei manchen Inhalten nicht möglich ist, alle Erfolgskriterien der Stufe AAA zu erfüllen.“

Die Operationalisierbarkeit wird durch die weitestgehende Übernahme der Struktur aus den WCAG-Erfolgskriterien bis hin zu einer nachvollziehbaren Nummerierung unterstützt. Etwaige Abweichungen in den Formulierungen sind ohne Auswirkung und vernachlässigbar.

Trotz aller strukturellen Unterschiede: Einzig durch die Erfüllung der Erfolgskriterien der WCAG 2, welche die operationalisierbaren Anforderungen beschreiben, wird die barrierefreie Nutzung der Oberflächen durch Menschen mit Behinderungen jenseits aller Konformitätsstufen erreicht. Dies gilt auch im Hinblick auf die in der Zollverwaltung eingesetzten Hilfsmittel zur Unterstützung der internen Nutzenden in ihrer Arbeit.

Nach wie vor gilt, dass eine einzelne Seite in Gänze nur als konform bewertet wird, wenn sie zu allen anwendbaren Kriterien konform ist:

„Die Anforderungen (…) sind unter Verwendung des Konzepts der Erfüllung von Erfolgskriterien (…) formuliert. Eine Webseite erfüllt dann ein WCAG-Erfolgskriterium, wenn die Anwendung des Erfolgskriteriums auf die Webseite kein ‘nicht erfolgreich’ ergibt. Das bedeutet, dass eine Webseite ein Erfolgskriterium auch dann erfüllt, wenn es Bedingungen für eine bestimmte Funktion vorgibt und die Webseite diese Funktion gar nicht verwendet.“

Neue Anforderungen aus den aktualisierten WCAG 2.2

Das Erfolgskriterium 4.1.1 Parsing, bei dem es in vielen Prüfverfahren um die Validierung von Codes geht, ist mit Stand September 2023 offiziell nicht mehr Bestandteil der WCAG 2.2. (Obsolete and removed)

Neu anwendbar auf Level A und AA